ENTSTEHUNG

Entstehungsgeschichte: Kornblume – der Bioladen
In den 80er Jahren:
Das AKW Graben wird geplant und es entsteht eine grosse Widerstandsbewegung in der Bevölkerung. Daraus formiert sich eine Frauengruppe (ca. 8 Personen), welche sich Gedanken macht über Ernährung, Landwirtschaft und Ausbeutung der 3.Weltländer. Als Grundlage dient ihr das aus dem Norwegischen übersetzte Buch «neuer Lebensstil – und wie weiter». Daraus entsteht das Bedürfnis, einen grösseren Kreis Mitmenschen für das Umdenken ihrer Lebensgewohnheiten zu inspirieren.
Erste Aktivitäten:
Alusammelstellen errichten, Aufruf zum Boykott von Chiquita Bananen und Granny Smith Äpfeln, «Jute statt Plastik» unterstützen. Hannelore Kotrubczik von der Frauengruppe arbeitet im 3.Weltladen. Dieser findet ein neues Ladenlokal an der Farbgasse 22. Das Lokal ist dem 3.Weltladen jedoch zu gross. Daraus ergibt sich für uns die Gelegenheit, einen Bioladen zu gründen. In unserer Umgebung gibt es einige Bio-Bauern, welche mit dem Absatz ihrer Produkte Schwierigkeiten haben und diese oft als konventionelle Ware verkaufen müssen (z.B. Milchprodukte). Unser Credo für den Laden: ausschliesslich Bio, regional (Ausnahmen: Bananen, Zitrusfrüchte), saisonal.
Grosse Aufbauarbeit:
  • Zwei Schreinern aus der Umgebung gelingt es, für Bio-Laden und 3.Weltladen ein einheitliches Erscheinungsbild zu gestalten: ausschl. unbehandeltes Holz, Korkböden und geflochtene Holzdecken. So entsteht ein gemütliches Bijou. Der Ladentisch, ein hölzernes Prunkstück, das sich noch heute im Laden befindet, «läschelet» Hannelore einem Ladenbesitzer aus Lotzwil ab, der seinen Laden auflöst. Als Gegenleistung müssen wir seine hässlichen Eisengestelle übernehmen, die wir im Keller aber gut gebrauchen können.

  • Das Signet entwirft Monika Gaberell. Sie gestaltet künftig auch ein sehr schönes Schaufenster.

  • Die Vereinsgründung mit 12 Mitgliedern findet anfangs 1985 statt. Die meisten arbeiten im Laden mit. Erste Präsidentin ist Christine Blum. Sie bleibt bis ins Jahr 1997 Präsidentin, entwirft die Statuten, veranlasst den Eintrag ins Handelsregister und erledigt alle administrativen Arbeiten inkl. Löhne.

  • Wir lernen die Produzenten kennen und definieren die Zusammenarbeit. Es sind folgende Bauernbetriebe: Butschers aus Mättenbach, Buchelis aus Altbüron, Sutters aus Glashütten, Küffers aus Obersteckholz, Sägessers aus Gutenburg, später Bühlers aus Thunstetten und Wynistorfs aus Riedtwil. Später wird jedes Jahr ein Anbauplan erstellt, um die Bezugsmengen festzulegen.

  • Wir suchen Bio Lieferanten. Diese sind noch dünn gesät. Viele kleine Manufakturen erfordern ein aufwändiges Bestellwesen.

  • Eröffnung des Ladens: 17. Mai 1985

Schnell bildet sich eine Stammkundschaft, auch dank der Steiner Schule in Langenthal. Wir leisten viel Aufklärungsarbeit, bieten Kurse für Kochen, Backen, Waschen, Putzen etc. an und organisieren Besichtigungen bei Herstellern und Bauernbetrieben. Es gilt, das «Körnlipicker -Image» zu entkräften und die etwas höheren Preise zu rechtfertigen.

Helene Brechbühl und Hannelore Kotrubczik an der Arbeit

Das Ladenteam ist bunt zusammengemischt, niemand ist vom Fach. Wir eignen uns die nötigen Kenntnisse an, besuchen Kurse und tauschen unsere Erfahrungen mit anderen Läden aus. 1 x pro Woche sind ellenlange Ladensitzungen notwendig. Es gibt keine Ladenhierarchie, alle sind gleich verantwortlich und gleichberechtigt, erhalten denselben Lohn (Fr. 9.-/Std.).

Erste Verkaufscrew: Hannelore Kotrubczik, Magi Hess, Mia Wyttenbach, Helene Brechbühl, Res Stuker, Käthi Seiler, Luzia Steffen, Marianne Worobec, Heidi Probst.
Der Ladenbetrieb ist sehr arbeitsintensiv und auch körperlich anstrengend. Körner und Mehl werden in 20 kg Säcken angeliefert und müssen in Aufbewahrungstonnen gehievt werden. Alles muss abgepackt und etikettiert werden. Flüssige Waschmittel kommen in 25 l Kanistern zu uns. Gemüse und Früchte werden im gewölbten Keller gelagert und müssen die enge, steile Treppe hinunter und hinauf getragen werden. Immer wieder kämpfen wir mit Motten- und Käferbefall. Auch Mäuse schätzen die feinen Bioprodukte. Die schöne, grosse Mühle ist oft verstopft und muss wieder in Fahrt gebracht werden. Der Offenmilchverkauf erfordert viel Zeit mit dem Waschen und Sauberhalten des Milchgeschirrs.
Nach 7 Jahren frischen wir den Laden auf. Überflüssige Holzverzierungen werden entfernt, damit der Laden heller und luftiger wird. Das Schaufenster soll den Blick in den Laden nicht mehr behindern. Ein neues Logo, entworfen und ausgeführt durch Jörg Hägeli, Webdesign Atelier (heute in Melchnau) ergibt ein moderneres Erscheinungsbild.
1995 findet ein Strassenfest zum 10-jährigen Jubiläum statt. Zu dieser Zeit geraten wir in eine finanzielle Schieflage und es droht der Konkurs. Ab 1996 beschliessen wir demzufolge, dass der Laden eine Führung braucht. Hannelore Kotrubczik und Helene Brechbühl übernehmen dieses Amt zu zweit. Christine Blum übergibt das Präsidium und das Lohnwesen an Helene. 1996 wird die Liegenschaft verkauft und wir erhalten die Kündigung unseres Mietvertrags. Der neue Besitzer will unsere Räumlichkeiten umgehend für seine Getränkehandlung umbauen. Mit vereinten Kräften wehren wir uns für eine Mieterstreckung und es gelingt uns an der Gerichtsverhandlung im Schloss Aarwangen, diese einzufordern. Der 3.Weltladen jedoch kapituliert und lässt sich mit einer Geldsumme abfinden.
Nach intensiver Suche finden wir im Januar 1997 unser jetziges Lokal an der Wiesenstrasse 10.
Es ist eine leerstehende Lagerhalle, die zum Laden ausgebaut werden muss. Ein optimaler Standort, zentral gelegen mit Parkplatz. Mit der Firma Rösch aus Diessenhofen finden wir einen Ladenbauer, der unsere Vorstellungen und Wünsche hervorragend umsetzt. Auch der Hausbesitzer, Herr Schluep, kommt uns beim Umbau sehr entgegen. Durch viel Eigenarbeit (auch aus dem Freundes- und Familienkreis) entsteht der schöne, helle Laden, der im Oberaargau der Einzige seinesgleichen ist. Es ist eine Freude, in diesem Laden zu arbeiten. Laden und Vorratsraum
sind auf einer Ebene. Eine begehbare Kühlzelle ersetzt den Keller. Ein separater Eingang für die Zulieferung entsteht. Selbstbedienung. Wir wussten, dass wir 130`000 CHF benötigten. Kreditwürdig waren wir bei keiner Bank, auch nicht bei der Alternativen Bank. Es gelang uns, bei Kunden, Verwandten und Bekannten zinslose Darlehen und einige Schenkungen zu erhalten. Die Darlehen konnten wir nach einigen Jahren alle zurückzahlen.
Die Neueröffnung findet am 27./28. Juni 1997 mit einem Fest auf dem Vorplatz statt. Gleichzeitig werden die beliebten Pro Bons eingeführt. Jetzt geht’s bergauf mit jährlich wachsenden Umsätzen, obschon die Grossverteiler (Migros, Coop) das Bio Geschäft inzwischen entdeckt haben!

Ansicht der Ladenfront, vor dem Umbau

Im Jahr 2003 wird Hannelore Kotrubczik nach 18 Jahren pensioniert. Helene Brechbühl ist jetzt alleinige Geschäftsführerin. Seit 1997 ist sie Präsidentin des Vereins. Jetzt sind die Ladenführung inkl. Lohnwesen, Buchhaltung und Personalwesen ebenfalls in ihrer Hand; eine etwas unübliche Kummulation von Verantwortungen. Sie hat jeweils die entstandenen Lücken übernommen, um das Weiterbestehen der Kornblume zu gewährleisten. Es gibt kaum mehr Personalwechsel. Die Löhne steigen kontinuierlich. Im Jahr 2012/2013 knacken wir zudem die Umsatzgrenze 1 Million CHF.

Im Jahr 2014 wird Helene Brechbühl pensioniert. Jetzt ist es unumgänglich, eine Aufteilung der div. Chargen vorzunehmen. Glücklicherweise können wir Christine Blum erneut für das Vereinspräsidium und die Personalführung samt Lohnwesen gewinnen. Claudia Binggeli übernimmt die Ladenführung. Sie arbeitet seit dem Jahr 2000 in der Kornblume und unterstützte seit dem Weggang von Hannelore die Leiterin mit Können und Herzblut im Laden. Marianne Graf übernimmt die Buchhaltung. Somit sind die Chargen neu gut abgedeckt. Diese Wechsel bringen Bewegung und positive Kräfte ins Team. Internet und eine wunderschöne Homepage werden eingeführt. Gleichzeitig wird ein neues Logo kreiert. Die Jahresumsätze nehmen weiterhin jährlich zu.
Dank genug finanzieller Mittel wird eine Ladenerweiterung geplant, da der angrenzende Vorhangladen schliesst und die Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Beatrix und Stefan Leuenberger-Grunder von Best-Raum führen die Bau- und Farbplanung durch. Einheimische Handwerksbetriebe leisten Superarbeit. Das Ladenteam bewältigt die Umbauphase beispielhaft. Ohne den Laden je zu schliessen, geht der Ladenbetrieb weiter, es muss dauernd improvisiert und umgestaltet werden. Im oberen Stockwerk errichten die Frauen ein schönes Laden – Provisorium.
Provisorium auf der Galerie, während des Umbaus

Provisorium auf der Galerie, während des Umbaus

Neueröffnung am 8.August 2019 im wunderschön vergrösserten Laden und einem grossen Unverpackt Sortiment, das dem Zeitgeist voll entspricht. Am 17. August folgt die Eröffnungsfeier vor der Kornblume.

Die neue Abfüll Station

Aussenansicht

Der neue Laden

Eröffnungsfeier des umgebauten Ladens am 17. August 2019

Im Jahr 2021 bringt die Corona Pandemie Unruhe ins Personal: 3 Mitarbeiterinnen, darunter leider auch Claudia Binggeli, künden. Dadurch entsteht eine grosse Lücke und eine Unsicherheit für das Weiterbestehen des Ladens. Aber glücklicherweise darf die Präsidentin bald 3 neue,

hochmotivierte Mitarbeiterinnen begrüssen: Carmen Holzer als Ladenleiterin, Yolanda Steiner und Daniela Ruf. Stefanie Ingold übernimmt die stellvertretende Ladenleitung. Für den Ladenbetrieb ist jetzt gut gesorgt.
Jetzt braucht es eine neue Strategie mit klaren Strukturen betreffend Vorstand, Ladenleitung, Mitarbeitende. Unser Vereinsmitglied, Simon Jöhr (Inforama Waldhof, Berater Biolandbau und Betriebswirtschaft), erklärt sich bereit, uns diesbezüglich zu beraten und Wege für das weitere Vorgehen zu erarbeiten.
Aus der Beratung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Vorstand die Überzeugung, dass der Laden weiterhin als Verein bestehen und unabhängig bleiben soll. Ein Verkauf an eine Ladenkette oder eine Privatperson wird ausgeschlossen. Neue Vereinsmitglieder und ein neuer Vorstand sollen für die anstehenden Aufgaben gesucht werden.
An der ausserordentlichen HV vom 22. März 2022 dürfen wir den neuen Vorstand mit 6 Personen wählen und 32 Neumitglieder in den Verein aufnehmen. Ein besonderer Dank geht an Simon Jöhr, der sich nach unserer Anfrage als Präsident zur Verfügung stellt und einstimmig gewählt wird.
Mit den an der HV getroffenen Beschlüssen haben wir gute Voraussetzungen geschaffen damit die «Kornblume – der Bioladen» weiterblühen kann, was uns allen riesengrosse Freude bereitet!
Im Namen des abgetretenen Vorstandes
Helene Brechbühl
Langenthal, im März 2022